Rezeptsammlung Getraenke - Rezept-Nr. 531

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Elixir Benedictin, Eine Kurzgeschichte

( 4 Portionen )

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Zutaten


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    Claus Schweitzer erfasst
    -- von Rene Gagnaux
 

Zubereitung

Etwas Geheimnisvolles, viel Geschick und ein Hauch von Masslosigkeit standen am Beginn des international bekanntesten Likoers.
 
Wenn eines Tages die Geschichte der alkoholischen Getraenke geschrieben wird, werden die Kloester sicher eine Hauptrolle spielen: Nirgendwo sonst sassen in den vergangenen Jahrhunderten derart viele kreative Schluckspechte, die sich mit Musse der Verfeinerung anregender Genuesse widmen konnten. Die Benediktiner duerften unter den Orden zweifellos eine Spitzenposition einnehmen.
 
In der Abtei Hautvillers hat der Benediktinermoench Dom Perignon den Champagner zu einer Qualitaet entwickelt, die wir noch heute schaetzen. In der Abtei Fecamp in der Normandie mixte der Moench Dom Bernardo Vincelli im Jahre 1510 aus 27 Kraeutern und Gewuerzen einen Likoer, der gegen alle moeglichen Leiden des Koerpers und der Seele helfen sollte.
 
Vincelli nannte sein Gebraeu "Elixir Benedictin" und machte seinem Orden damit alle Ehre: Ueber 250 Jahre lang verkaufte sich das berauschende Heilmittel mit wachsendem Erfolg. Als die Abtei waehrend der Franzoesischen Revolution gebrandschatzt wurde, ging es mitsamt dem Originalrezept unter. Doch 1863 kommt die wundersame Auferstehung des verlorengeglaubten Wundertropfens: Alexandre Le Grand, ein Weinhaendler in Fecamp, findet das Rezept in einem geerbten Buch und versucht, daraus erneut einen Kraeuterlikoer zu komponieren. Nach einem Jahr des Experimentierens (und wohl auch Modernisierens) kommt der beruehmte Gesundheitstrank zwei Jahre spaeter in Frankreich wieder auf den Markt. Von der Heilwirkung ist nicht mehr die Rede, um so mehr von seinem koestlichen Geschmack und der ehrwuerdigen Tradition: Als "Likoer der Benediktinermoenche der alten Abtei in Fecamp" wirbt Le Grand fuer seine wuerzige Kraeutermischung, die er "Benedictine" nennt. "Dem besten, groessten Gott" (Deo Optimo Maximo ~ auf jeder Flasche als D.O.M wiedergegeben) ist er gewidmet.
 
Alexandre Le Grand erweist sich als eines der fruehen Marketinggenies des 19. Jahrhunderts. Er erfindet fuer seinen Likoer die charakteristische bauchige Flasche, die so beruehmt werden wird wie die des Champagners Dom Perignon; er gibt Plakate und Poster bei den bekanntesten Kuenstlern der Zeit in Auftrag und laesst Werbematerialien verteilen: Faecher, Toilettenaccessoires, Aschenbecher und Streichholzhalter.
 
Ob wegen der Werbung oder der Qualitaet: Benedictine wird vom ersten Tag an ein grosser Erfolg - und fortan kopiert. Le Grand meldet in mehreren Laendern Patente an. Viel scheinen sie aber nicht genuetzt zu haben: Im Musee Benedictine in Fecamp koennen die Besucher ueber 600 Faelschungen aus aller Welt besichtigen. Das Museum ist in einem Bau untergebracht, den Le Grand schon frueh in Auftrag gab: in der Palast-Fabrik von Benedictine, einem romantischen Traumschloss wie aus einem Walt-Disney-Film, das heute eine vielbesuchte Touristenattraktion ist.
 
Die Geheimniskraemerei um die exakte Rezeptur und die Verarbeitung des Benedictine wird dem Endprodukt in gewisser Weise gerecht. Denn waere nicht ein Hauch von Zauberei dabei, koennte man die gesamte Kunst des Likoerherstellers als naturwissenschaftliches, streng rationales Herstellungsverfahren begreifen. Doch die alchimistische Tradition (die sich als Geheimwissenschaft verstand) spielt eine entscheidende Rolle. Der "magische Trank" ist das Ergebnis langer Bemuehungen, fuer das Intuition und lueckenlose Kenntnis von Ingredienzen und Verfahrensweisen gleichermassen bedeutsam sind. Die Natur liefert lediglich die Zutaten, doch es bleibt dem Genie des Menschen ueberlassen, diese zu nutzen und Unterschiede herauszufinden.
 
In Amerika, wohin die Mehrzahl der fuenf Millionen Flaschen (Jahresproduktion) gelangt, erfand 1937 ein Barmann aus Manhattan den "B&B", eine Mischung aus Benedictine und Brandy, der in der Neuen Welt Furore machte. Selbst Bargaenger, die gewoehnlich keinen Likoer bestellen, haben Benedictine schon oft genossen: Er gehoert in ueber ein Dutzend beliebter Mixgetraenke, von "Singapore Sling" bis "Frisco Sour", und kroent sie mit seinem himmlisch-wuerzigen Touch.
:Stichworte : Aufbau, Benedictine, Getränke, Info, Likör

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