Rezeptsammlung Grundlagen - Rezept-Nr. 164

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Die Münchner Weisswurst, Teil 1 von 2

( 4 Portionen )

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Zutaten

    WEISSWURST

   NACH EINEM AUFSATZ VON
    Sybil Schreiber, in
    -- Tagesanzeiger 25.09.9
 

Zubereitung

Die Münchner Weisswurst ist der Bayern Stolz. Das Rezept aber verdanken sie den Schweizern. Von Sybil Schreiber Der Bayer ist ein stolzer Mensch. Er lebt in einem weissblauen Königreich, dessen Grenzen er Weisswurst-Äquator nennt. Erstens, weil die weissen Würste seine Leibspeise sind. Und zweitens, weil der Bayer davon ausgeht, dass jenseits der Wurstgrenze niemand diese Delikatesse originalgetreu herstellen kann. Aber da täuscht er sich ganz gewaltig. Denn ohne die Schweizer könnte er seine Weisswurscht -- so wird sie in Bayern liebevoll genannt -schlichtweg vergessen. Der Zürcher Metzger-Personalverband wars nämlich, der 1950 ein Handbuch für die Wursterei herausgab. Und eben dort wurde das bis dahin einzige schriftliche Rezept der Münchner Weisswurst verewigt. Was früher an Weisswürsten im Wasser schwamm, waren völlig unterschiedliche Versionen des heutigen Klassikers. Das Schweizer Rezept hingegen wird seither in dieser Form von den profilierten Wurstmachern angewendet. Doch das interessiert kaum einen in Bayern. Man will in Ruhe seine Würste essen und sich nicht mit aussenpolitischem Papperlapapp abgeben. Prall wie die Brust einer Magd Rund um die Weisswurst, die für Stammtischbrüder so weiss sein muss wie das Knie einer Jungfrau und so prall wie die Brust einer Magd, kursieren allerlei Gerüchte. Mythos Weisswurst nennt der Münchner Journalist und Buchautor Peter M. Lill die bayerische Fleischeslust, und so heisst auch sein Buch zum Thema. Als gebürtiger Bayer weiss der Autor ausserdem, dass für seine Mitmenschen im Freistaat die Weisswurst kein Nahrungsmittel ist, sondern ein Stück Heimat -- ein schützenswertes Kulturgut gewissermassen, das mit Respekt zu behandeln ist. Auch wenn es der Bayer anders sieht, macht sich die Weisswurst langsam, aber sicher auch jenseits des Wurst- Äquators einen Namen. Wer früher aus München anreiste, nahm als Mitbringsel einen Sack Würste und den obligaten süssen Senf mit. Die Beschenkten stürzten sich darauf, denn die gebrühte weisse Wurst war ein seltener Leckerbissen. Ein Schmankerl eben, wie die Münchner sagen. Nichts als Wasser Mittlerweile gibts die hellhäutige Delikatesse auch bei einigen innovativen Schweizer Metzgereien zu kaufen. Der Globus produziert alle zwei Tage eine ganze Menge hausgemachter Weisswürste, erklärt Roland Kaiser von der Charcuterie. Die Wurst aus Bayern belege gar Platz drei der Wurst-Hitparade, liegt also knapp hinter Kalbs- und Schweinsbratwurst. Und besonders jetzt, da in München das Oktoberfest stattfindet, scheinen viele Zürcher ein bisschen an der gemütlichen, bierseligen Stimmung teilhaben zu wollen: Im Augenblick werden wir richtig bestürmt, freut sich Kaiser. Spötter rümpfen über den Erfolg der bayerischen Wurst die Nase: Sie sei ja eigentlich nichts anderes als gefestigtes Wasser. Stimmt. Aber nur bedingt. Denn neben H2O stecken darin auch Kalbsbrät, Schweinespeck, allerlei Häutelwerk, Muskatbluete, Zwiebel, Zitrone und Petersilie. Ein Münchner Faschingsprinz .sagte einst, dass die Petersilie in der Weisswurst für einen echten Bayern die einzige Art sei, Vitamin C zu sich zu nehmen. Jedenfalls nimmt er eine Menge Kalorien zu sich: 290 Kalorien pro hundert Gramm verbergen sich in der Wurst. Ein normal grantelnder Durchschnittsbayer, also ein mürrischer, hat mit vier Würsten pro Tag seinen täglichen Kalorienbedarf zur Hälfte abgedeckt, schreibt Buchautor Lill. Sein Fazit: Die Weisswurst trägt wesentlich zum Ausbau des persönlichen mittleren Rings bei und prägt somit eindeutig das Allgemeinbild der Menschen in bayerischen Städten und Dörfern. Die Urweisswurst, deren Rezept später von den Schweizern verfeinert und vor allem niedergeschrieben wurde, erblickte das Licht 1857 im Gasthof Zum ewigen Licht am Münchner Marienplatz. Der Moser Sepp war ein umtriebiger Wirt. Am Faschingssonntag stand er frühmorgens.in seiner Küche und bereitete die Wurstmischung vor. Bis dahin hatte er die Masse in dünne Schafssaitlinge abgefüllt und dann braun gebraten. Aber dem Schicksal sei Dank, waren ihm just an jenem Sonntag die Schafsdärme ausgegangen. Er hatte einzig noch Schweinedarm zur Hand, füllte diesen dick mit Brät -- und um die feine Schweinehaut nicht durchs Braten zu ruinieren, köchelte er die Würste sachte im Wasser. Als die Gäste zum Frühschoppen Bier und Würste bestellten, staunten sie nicht schlecht. Aufgetischt wurden keine verkohlten Bratwürste, sondern pralle, blasse Dinger. Die Skepsis wich nach dem ersten Biss der Begeisterung -- so jedenfalls wills die Legende: Pfennigguat, Sepp! sollen die Gäste gerufen haben. Bei aller Freude über die Entdeckung stellte sich schon damals die Frage: Isst man die Haut mit oder nicht? Bloss nicht!, rufen bayerische Schlemmermäuler. Die Haut hat übrig zu bleiben! Und das ist eine Kunst. Weiter: siehe Teil 2
 
Stichworte: Aufbau, Buch, Weisswurst
:Stichworte : Grundlagen, Informationen

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