Rezeptsammlung Grundlagen - Rezept-Nr. 1256

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Weinbergschnecken, Eine Kurzgeschichte

( 4 Portionen )

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Zutaten

    Weinbergschnecke

   NACH EINEM TEXT VON
    Claus Schweitzer - Erfasst
    -- von Rene Gagnaux
 

Zubereitung

Petit gris, die kleine graue südeuropäische Weinbergschnecke, ersetzt heute oft die selten gewordene, bedeutend grössere Burgunder Schnecke. Antoine Careme (1784 - 1833), der eigentliche Begründer der feinen französischen Küche, sorgte Anfang des 19. Jahrhunderts auch dafür, dass die Weinbergschnecken zu gastronomischen Ehren kamen - a la bourguignonne, auf Burgunder Art, mit Butter, Knoblauch und Petersilie. So beliebt wurden die mundgerechten Weichtiere, dass man für sie sogar spezielle mit Vertiefungen versehene Tellerchen und eine Zange erfand, um ihre heissen Häuser fest im Griff zu haben, während eine zweizackige Gabel sie aufspiesst. Der Geniesser ahnt nicht, dass sein knorpeliger Happen aufwendige Vorbereitungen verlangt. Schnecken müssen vor dem Verzehr eine mindestens zehntägige Hungerkur überstehen, die im Französischen Mittelmeergebiet durch eine Thymian-Diät gemildert wird. Grund sind für den Menschen giftige Blätter, die sich die Schnecken möglicherweise einverleibt haben. Der Reinheit wegen warten dann drei Waschungen mit Wasser auf sie. Die erste widmet sich ihrem Äusseren, die zweite, nun mit Essig und Salz angereichert, dem Inneren. Ein Bad in klarem Wasser folgt. Meist werden die Schnecken dann blanchiert, abgekühlt, aus ihren Häusern gezogen und in der Regel in gut gewürzter Bouillon gekocht. Kalt füllen sie erneut die inzwischen sterilisierten Gehäuse. Mit Kräuterbutter zugestrichen sind sie küchenfertig. Schon unsere Urahnen erfreuten sich an den Bauchfüsslern, wovon prähistorische Abfallhaufen zeugen. Die Griechen widmeten ihnen eingehende Betrachtungen, und die nimmersatten Römer erfanden die Schneckenzucht. Sie grillten ihre spiralschaligen Leckerbissen, ganz so wie es Katalanen und Provenzalen noch heute mögen, ohne sie vorher zu garen. Im übrigen Frankreich jedoch überliess die Oberschicht den Armen die Schnecken und stocherte an ihnen höchstens in der Fastenzeit herum bis eben der Koch der Könige und König der Köche sich ihrer annahm. Seither übertreiben die Franzosen ihre Schneckenliebe. Die grosse burgundische Weinbergschnecke, deren Haus bis zu fünf Zentimeter Durchmesser erreicht, wurde ein Opfer von Gourmets (und moderner Landwirtschaft) und ist mittlerweile sehr selten. Statt dessen präsentieren Köche auf Speisekarten und Tellern petits gris, die kleinere Variante der Weinbergschnecken mit dem grauen Körper im weissoder gelbgesprenkelten Gehäuse. Sie bevölkern die Gascogne, die Provence, das Langüdoc-Roussillon (auf französischen Märkten findet man sie lebend im Angebot) und eignen sich - im Gegensatz zu ihren grösseren Verwandten - auch für die Zucht, die heliculture. In Südfrankreich finden sich viele solcher Schneckenfarmen, wo die schmackhaften Weichtiere in Holzkästen unter freiem Himmel gezüchtet werden. Ein Jahr brauchen die Salat und Grünzeug fressenden Schnecken, um eine geniessbare Grösse zu erreichen. Für Konserven nimmt man osteuropäische Importe und die türkische Schnecke, die man an ihrem dunkleren Fleisch und einem schwarzen Hausrand erkennt, sowie einen aus China tiefgefroren eingeführten, mindestens 250 bis 500 Gramm schweren Giganten aus der Familie der Achatschnecken. Diese Riesenschnecke dient zunehmend als Ersatz für die mitteleuropäischen Weinbergschnecken, indem man deren Gehäuse mit Fleischstücken von der Achatschnecke füllt und unter der schlichten Bezeichnung Escargot anbietet. Schnecken besitzen zwar reichlich Mineralsalze, sind aber recht unverdaulich. Deshalb sollte man sie mit Massen geniessen, auch wenn das dazugehörende Pariserbrot noch so knusprig ist und die Kräuterbutter noch so delikat schmeckt.
 
Stichworte: Aufbau, Schnecke, Weichtier
:Stichworte : Grundlagen, Informationen

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