Rezeptsammlung Grundlagen - Rezept-Nr. 92

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Chili-Schaerfe Laesst Sich Messen

( 4 Portionen )

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Zubereitung

In Amerika hat man eine Art Thermometer entwickelt, mit der Skala von 1-10: die sogenannte Scoville-Skala, die von 0 (süsse rote Paprikaschoten) bis zu 100.000 (Habanero) reicht. Die Ermittlung erfolgt durch Einweichen der Schoten in Alkohol, der das Capsaicin auslaugt. Dann wird der Extrakt mit Zuckerwasser verdünnt, bis die Schärfe nicht mehr wahrnehmbar ist - braucht man etwa 30.000 mal so viel Zuckerlösung wie Chili-Extrakt, hat man einen genauen Schärfegrad ermittelt. Das Verfahren ist freilich langwierig und heute durch einen High Pressure Liquid Chromatographen ersetzt, der in einem komplizierten, aber sehr genauen Verfahren den Schärfegrad ermitteln kann. Es gibt jedoch verschiedene Capsaicine, die unterschiedlich wirken einige brennen sofort und anhaltend, andere verklingen ebenso schnell wie sie zupacken, und eine dritte Variante beginnt hinterhältig verzögert, um erst nach längerer Zeit mit voller Schärfe zuzubeissen. Eine die menschliche Sensibilität genau berücksichtigende Schärfeeinteilung gibt es nicht, zumal man sich durch häufigen Chiligenuss an die Schärfe gewöhnt und immer unempfindlicher gegen sie wird. Und damit nach heftigerer Schärfe sucht! Jetzt muss man sich natürlich fragen: Warum suchen manche Menschen die Schärfe? Darauf liesse sich antworten: Weil es so schön ist, wenn der Schmerz vergeht! Aber auch: Weil man süchtig danach wird? In der Tat, wird man das, aber gottlob in harmloser Form. Denn das Beissen der Chilischärfe auf Zunge und Lippen wird dem Hirn als Verbrennen gemeldet. Warum das so ist, weiss man noch nicht; die Schärfe von Pfeffer oder Meerrettich beispielsweise wird nicht so gedeutet. Das Hirn erkennt also: Feuer, Feuer und schaltet auf höchsten Gang: Das Herz klopft schneller, der Mund produziert mehr Speichel, die Nase beginnt zu laufen, der Verdauungstrakt arbeitet schneller, und die Schweissdrüsen schalten auf volle Pulle. Und vor allem: Das Hirn gibt, unter dem Eindruck, der Körper sei erheblich verletzt worden, den Befehl aus, ein Antischmerzmittel auszuschütten
- das körpereigene Endorphin. Und so entsteht eine Art von Rausch, die dem Glücksgefühl entspricht, das man durch stundenlanges Joggen oder Marathonlaufen erreichen kann. Chili zerstört nicht, wie landläufig behauptet wird, den Geschmacksinn, sondern schärft ihn sogar. Allerdings, wer Schärfe nicht gewohnt ist, achtet nur auf den brennenden Schmerz und meint daher, nichts mehr schmecken zu können. Geuebte Chili-Fans wissen jedoch, dass hinter der Schärfe ein präzises Geschmacksempfinden aufwacht. In Amerika spricht man heute übrigens nicht mehr von den nur vier klassischen Geschmacksrichtungen süss, salzig, sauer und bitter, die wir mit der Zunge erschmecken, sondern nimmt die Dimension der Schärfe, die auch fade Dinge würzig werden lässt hinzu. Wir haben dafür den Begriff Tiefe geprägt, denn alle Speisen schmecken anders, nämlich würziger, intensiver, eben tiefer, wenn man sie mit Chili schärft.
 
Stichworte: Chili
:Stichworte : Grundlagen, Informationen

Quelle

MEUTH/BERND NEUNER-
DUTTENHOFER

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